Donnerstag, 4. Juni 2015

anderer Leute Gedanken...

Flatter schreibt über die Probleme des Arbeitslosen mit dem Selbstwertgefühl:
[...]Arbeitslose sind überflüssig. Man sollte sie töten.
Also eigentlich nicht alle. Nur die, die ich sind. Ich bin jetzt ein halbes Jahr ohne Lohnjob und fühle mich scheiße deswegen.[...]
Das Gefühl kenne ich gut. Damals, vor jetzt mittlerweile sieben Jahren, als ich zu der Erkenntnis kam, dass ich mir die Lohnsklaverei nicht mehr zumuten kann, ging es mir nach einigen Monaten ganz ähnlich. Nach dem grandios gescheiterten Versuch mir eine Existenz aufzubauen, die nicht von anderen bestimmt wird und dem darauf folgenden temporären Total-Absturz, während dem ich mir nur mangels des nötigen Kleingelds keinen Strick gekauft habe um mich aufzuhängen, kam irgendwann die (wie ich heute denke weiß, falsche) Erkenntnis dass ich ohne Arbeit nichts wert bin und die Gesellschaft nur schädige in dem ich ihr weiter auf der Tasche liege.
Ich hätte zu der Zeit um ein Haar das "Ich schmeiß' jetzt alles hin, und such mir statt 'ner Arbeit lieber 'ne Berufung" hingeschmissen und wäre zu irgendeiner Leiharbeitsbude gegangen um mich für sechs Groschen achtzig die Stunde wieder in die Reihen der Prekär-Beschäftigten einzugliedern. Hauptsache produktiver Teil der Gesellschaft sein, um welchen Preis auch immer.

Ich kenne jetzt zwar nicht die Umstände, die bei Flatter zur -wohl ungewollten- Arbeitslosigkeit geführt haben. Aber ich kenne dieses Gefühl, dass man nach einer Zeitlang leben auf Staatskosten bekommt. Diese flüsternde Stimme im Hinterkopf, die einem immer wieder sagt, dass man nichts wert ist wenn man nicht für sein Auskommen arbeitet. Die viel gerühmte protestantische Arbeitsethik eben, die das nicht-arbeiten als die größtmögliche Sünde (neben der Gotteslästerung vielleicht noch) definiert. Das schizophrene Gefühl auf der einen Seite gegen die Ausbeutung und den Kapitalismus zu sein und auf der anderen Seite sich zu wünschen teil dieser Gesellschaft zu sein, mit allen ihren Vorteilen. Den unnötigen Konsum zu wollen, wie ihn alle anderen auch haben, obwohl man den Warenfetisch doch eigentlich ablehnt.

Diese "Gewissensbisse" habe ich heute bei Weitem nicht mehr so stark wie früher. Zum Einen weil Übung den Meister macht und ich jede Menge Übung habe im erwerbslos sein mittlerweile. Und zum Anderen weil ich mich ziemlich erfolgreich umdefiniert habe. Früher war ich der Elektroniker Freaksworth, dann eine Zeit lang der LKW-Fahrer Freaksworth, der Staplerfahrer Freaksworth, schließlich der arbeitslose Freaksworth, bis ich mich dazu entschieden habe einfach der Mensch Freaksworth zu sein. Und dem ist es völlig egal welche Etiketten er von wem auch immer aufgedrückt bekommt und er tut einfach das was ihm Spaß macht (und was er für wichtig/richtig hält) und hofft, dass ihm unterwegs irgendwann einmal seine Berufung, in welcher Form auch immer, über den Weg läuft. Und bis dahin beschäftige ich mich mit Dingen die mir wichtiger sind als (Lohn-) Arbeit. Meine Freundin zum Beispiel, oder Computerspiele, oder schreiben, oder lesen, heimwerken, radfahren, rauchen, saufen, schlafen, nachdenken, mich ärgern, mich freuen. Kurz: leben. Das Leben ist nämlich viel zu kurz um es mit Lohnsklaverei zu verschwenden.

Natürlich werden jetzt diejenigen, die die protestantische Arbeitsethik so richtig verinnerlicht haben, sagen, dass ich damit nur meine Faulheit rechtfertige und mir gefälligst eine Arbeit suchen soll um dem Staat (ergo: ihnen) nicht weiter auf der Tasche zu liegen. Aber wisst ihr was ich denen sage? Fuck you! You just don't get it. So lange es in diesem Staat keine gerechten Löhne gibt und Menschen dazu gezwungen werden für einen Hungerlohn (und das sind praktisch alle Löhne, die man heutzutage als Nicht-Facharbeiter bekommt) anderen Leuten viel Geld zu verdienen, so lange werde ich auch keine 40-Stunden-(oder mehr)Woche mehr in irgendeinem dead-end job schieben, nur um am Ende des Monats gerade so meine Miete und das Essen auf dem Tisch bezahlen zu können. Das kann ich als Hartzer auch haben, dafür muss ich mir nicht das Kreuz und das bisschen Rest-Leben das ich noch habe kaputt machen.

somewhat related: It's the end of the world as we know it (and I feel fine)

2 Kommentare:

  1. Hallo Dude,

    da hast du aber einen Denkfehler gefrönt.
    Als Arbeitsloser übernimmst du einen wichtigen, sehr stressigen, psychisch belastenden, äußerst lausig bezahlten, wenig geschätzten und oftmals zumindest 126 Wochenstunden Job.
    Wenn du nicht konsequent die "modernen" Arbeitsbedingung ablehnen würdest hätte jemand anders keinen Job.
    Im Grunde opferst du dich und stürzt jemand anders ins "Unglück", wobei der dies nicht einmal versteht.
    Wir leben in einer völlig schizophrenen Welt!
    Der Arbeitslose ist heute der zu schlecht entlohnte "Buhmann" in der Geisterbahn der Arbeitgeber.
    Ohne Dich würde sich die prekären Arbeitsverhältnisse nicht als Normalität verkaufen lassen.
    Auch wenn es mir Leid tut das sagen zu müssen, auch Arbeitslose erfüllen den ihnen zugedachten Auftrag.

    Aber das wird niemand der Verantwortlichen zugeben. Catch22

    Du hast allerdings Recht, das überlebt man psychisch nur wenn man beginnt das Leben anders zu bewerten.

    Ich erlaube mir einen Link zu einem Aufsatz von (real)Asmodis zu setzen der sich damit beschäftigt.

    "Armutsbashing"

    http://quergedacht20.square7.ch/?p=11413

    Grüße flurdab

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    1. Hehe, was du schreibst ist natürlich richtig. Und danke für den Link. Werde ich mir jetzt mal durchlesen

      Liebe Grüße :-)

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